An Age Contrived versetzt dich in eine bunte Fantasy-Welt, in der ihr als Götter um Einfluss ringt, die selbst in Form ihrer fantastischen Avatare durch die Gegend wandeln. Das klingt episch – liefert das Spiel auch, was das Setting verspricht?
Das Worldbuilding
Die Hintergrundgeschichte, die wir in der Anleitung erfahren, klingt erstmal interessant: Wir sind Götter, die (sich selbst) Monumente errichten lassen möchten, um ihre Macht zu demonstrieren und zu festigen. Dazu wandeln sie als sogenannte Avatare selbst über die Welt und beeinflussen die Lebenden. Ziel ist natürlich, nicht in Vergessenheit zu geraten. Klingt ein wenig nach Ankh? Stimmt soweit auch. Jedoch geht An Age Contrived gänzlich andere Wege und ist ein kampfloses Strategiespiel mit einem Planungs-Puzzle – also ein waschechtes Euro.
Die unterschiedlichen Götter haben individuelle Fähigkeiten und heben sich zum Glück aus dem sonst so bekannten Fantasy-Einheitsbrei ab. Mein Favorit ist der „Baumgott“ – wohl angelehnt an den Film „The Green Knight“ – den ich aufgrund seiner Miniatur auch liebevoll „Brokkoli-Mann“ getauft habe. Die grafische Präsentation macht definitiv Lust auf mehr. Man muss sich jedoch gewiss sein, dass man hier keine Quest nachspielt, sondern ein Logikpuzzle möglichst effizient auszuführen hat. Es ist ein Euro, und da bleibt die Welt manchmal dann doch etwas oberflächlicher als in einem Abenteuerspiel.
Magnetisierend!
Was das Spiel besonders macht, ist das Material: Die dicken, hochwertig verarbeiteten Pappteile enthalten kräftige Magnete und halten angenehm fest – ein echtes Highlight am Tisch. Jeder neue Spieler muss sie sofort anfassen und begeistert testen. Das macht nicht nur optisch was her, sondern fühlt sich auch gut an.
Etwas schade ist es dann, dass das zentrale Spielbrett selbst nicht magnetisch ist. Die Bauplätze der Monumente sind mit Metallkonstruktionen versehen, welche bei Spielaufbau in das Board integriert werden sollen. Das ist durch das sechsteilige Spielbrett mit etwas Übung zwar möglich, ist jedoch im Vergleich zu den ansonsten hervorragend produzierten Monument-Tiles etwas umständlich gelöst.
Generell kann ich für mich festhalten: Die Magnete sind durchaus hilfreich und beim schrittweisen Aufbau der Monumente auch bitter nötig, um das Spiel nicht zu einem Geschicklichkeitsspiel verkommen zu lassen. Dennoch bleiben die Monumente selbst im Endeffekt nicht mehr als Papp-Gebäude in Brettspielen eben sein können.
Schwierige Struktur der Anleitung
Die Anleitung ist ein kleiner Stolperstein. Inhaltlich ist alles drin, was man braucht – aber die Struktur wirkt manchmal unübersichtlich. Die Infos sind da, aber nicht immer dort, wo man sie braucht oder erwartet. Immer wieder muss man blättern, nachschlagen, querlesen. Das bremst vor allem in der Kennenlernphase ein. Schon während des Aufbaus soll ich plötzlich auf Seite 22 Springen, während der Einleitung der Erklärung direkt zwei verschiedene Doppelseiten querlesen. Das erschwert den Einstieg unnötig, zumal die besagte Information auf auf diesen Seiten dann nicht direkt auffindbar ist.
Zentrales Minigame (der Aktionssteine)
Erinnert ihr euch, dass ich oben von „Eurogame“ sprach? Die Aktionssteine, die man nach und nach „programmiert“, sind das Herzstück des Spiels und qualitativ hochwertig. Sie ähneln stark den Steinen, wie man sie beispielsweise in Azul findet. Wer es mag, Abläufe im Kopf zu durchplanen, Ressourcen sinnvoll zu nutzen und sich Schritt für Schritt Vorteile zu erarbeiten, wird hier gefordert.
Jeder Stein, der das eigene Tableau verlässt, löst eine kleine Kettenreaktion aus – und genau das macht Spaß. Das Timing ist entscheidend, und es fühlt sich richtig gut an, wenn der eigene Plan aufgeht.
Mechanisch sind die Energiesteine ein cleveres Puzzle: Welche Steine lade ich auf? In welcher Reihenfolge schiebe ich sie in Plättchen über mein Tableau, um die gewünschten Effekte auszulösen? Wo werden sie wann sein?
Das ist jedoch manchmal Fluch und Segen zugleich: Wenn ich dran bin, kann ich entweder den Inhalt meines Tableaus gesamt um eine Position nach rechts verschieben – das führt zu „Das Verrückte Labyrinth-Vibes“! Oder aber ich löse Aktionen aus – so viele und so oft ich kann und möchte. Was sich im ersten Moment als „überschaubar wenige Optionen“ durchaus positiv liest, birgt beim genaueren Hinsehen aber unglaubliches Optimierungs-Potenzial, und das kann zu ausufernder Downtime führen.
Wird dann noch ein Teil des Monuments gebaut und der eigene Anteil daran gewertet, können Unbeteiligte sich auch mal eine Auszeit gönnen. Wäre es hier nicht viel spannender gewesen, pro Zug nur eine einzelne Aktion zu ermöglichen?
Verwirrende Symbolik & belanglose Bewegung
Zwar sind viele Icons grafisch sauber gestaltet, doch in der Fülle der Symbole verliert man manchmal den Überblick. Besonders neue Spieler tun sich schwer, die Zusammenhänge auf Anhieb zu erfassen – viele Symbole wirken zunächst ähnlich, transportieren aber völlig unterschiedliche Funktionen – hier ist anfangs Nachschlagen angesagt.
Die Bewegung der eigenen Miniatur, die man eigentlich als ein zentrales Spielelement erwarten würde, ernüchtert ein wenig. Statt sich wirklich als Gottheit über das Spielfeld zu erheben, fühlt man sich eher wie eine Art Sidekick, der Boni einsammelt, indem man eine der wenigen Brücken überquert – abseits davon ist die Bewegungsaktion eigentlich unnütz und kann zu verschwendeten Aktionen führen. Die Positionierung hat kaum Einfluss auf strategische Entscheidungen. Das fühlt sich nicht göttlich an, sondern mechanisch – und macht die Bewegung zu einem von vielen Pflichtschritten, der selten wirklich spannend ist.
Aber wie zuvor gesagt: Es ist ein Eurogame und legt somit andere Schwerpunkte als ein Abenteuerspiel. Man muss einfach wissen, was für eine Art von Spiel man kauft, und wird dann auch nicht überrascht, dass weniger Abenteuer drin steckt, als das Wordbuilding und die Optik vermuten lassen.
Von Schein und Sein
Die mechanische Handhabung der Steine ist etwas repetitiv, da der Kern des Spiels die Optimierung dieses Puzzles ist. Das Spiel wartet mit viel Thema auf, was durch die Mechanik dann wenig widergespiegelt wird.
Ein guter Vergleich dazu ist Vindication. Auch hier ist das Thema die eigentliche Triebfeder – spielerisch tauscht man eigentlich nur farbige Steine in andere um und gibt sie dann aus.
Wenn euch das bei Vindication nicht beeindruckt hat, dann solltet ihr überlegen, bevor ihr zuschlagt. Wenn ihr Vindication jedoch mochtet, dann ist An Age Contrived auf jeden Fall einen Blick wert! Schaut doch mal bei Skellig Games vorbei, wenn ihr euch zur Zielgruppe zählt – und macht euch ein eigenes Bild. Dort wird das Spiel bald verfügbar sein.
Fazit zu An Age Contrived
An Age Contrived hat viele gute Ideen und ein starkes zentrales Minigame, das logisch, planbar und befriedigend ist. Das Material hinterlässt gemischte Gefühle: beeindruckend in der Qualität ist es allemal. Etwas an dem Spiel verspricht Abenteuer, obwohl sehr viel Eurogame drin steckt. Die Anleitung erschwert den Einstieg unnötig.
Thematisch bleibt eurotypisch vieles eher an der Oberfläche. Zwar haben alle Aktionen, Möglichkeiten und Auswirkungen thematische Bezeichnungen, aber letztendlich macht man eigentlich nichts anderes als Steine von seinem Tableau irgendwo hin zu legen.
Das eigentliche Spiel – die Optimierung des Tableaus – macht dennoch eine Menge Spaß! Trotz der Anzahl an Kritikpunkten in diesem Test kann ich mir dennoch gut vorstellen, dass An Age Contrived in manchen Gruppen genau das richtige sein kann.
Das bedeutet auf der anderen Seite aber auch, dass es kein Selbstläufer ist und ihr nicht blind, sondern mit Bedacht kaufen solltet. Wie eigentlich immer, oder?
Im Bereich der thematischen Euros hat An Age Contrived mit seiner individuellen und frisch wirkenden Aktionssteine-Mechanik definitiv genug Alleinstellungsmerkmale, um sich seine Fanbase zu ergattern.
Kein Spiel ist für Jedermann. Ob An Age Contrived etwas für euch ist, entscheidet ihr allein.
Top-Test
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1. Thema
Das Thema lässt im Verlauf der Kennenlern-Partie leider stark nach. Den thematischen Unterbau, den das Wording und die Erklärung aufbauen, verblasst leider schnell hinter einer unerwartet eintönigen Mechanik. Bis dahin ist die Welt aber doch eigenständig und interessant.

2. Material
Etliche Token in hoher Qualität, ein sehr hochwertiges Regelheft, Spiel- und Aufbauhilfen, die hervorragenden Steine und magnetische Papp-Teile samt Unterkonstruktion aus Metall. An Age Contrived macht vieles richtig. Dass die Gebäude dann letztendlich doch recht plump wirken und dass gerade für den Aufbau wichtige Magnete im Spielbrett fehlen, verhindert die vollen 5 Punkte.

3. Optik
Das Spiel ist schon liebevoll gemacht, keine Frage! Doch gibt es einige Design-Entscheidungen, die ich fragwürdig finde. Zum einen haben alle Fraktionen je zwei Farben, von denen man sich eine während des Setups aussuchen darf. Das erschwert den Lern- und Unterscheidungsprozess deutlich. Die Icons sind nicht immer aussagekräftig und der Spielplan zwar schön, aber auch teilweise unübersichtlich. Handwerklich aber ist das Design über jeden Zweifel erhaben.

4. Setup
Uff, das dauert! Hier Token, da Steine, Plättchen drunter, Marker drüber, Marker nur zum Aufbau, und bei weniger als 3 Spielern kommen nochmal weitere Steine dazu bzw. manche Plättchen wieder weg. Ich bin ganz ehrlich: Ein Expertenspiel wie ein Lacerda verbraucht nicht mehr Zeit beim Aufbau.

5. Spieleranzahl
An Age Contrived ist immer spielbar, leidet aber ab 3 Spielern an einem deftigen Problem: Einen Bauabschnitt eines Monuments zu errichten, benötigt immer (!) 3 Steine von Mitspielenden. Das Problem dabei ist: Nur wer den 3. und letzten Stein setzt, bekommt dafür Siegpunkte. Alle anderen werden mit Bonussen abgefertigt oder gehen leer aus. Mir hat sich während der Partien nie erschlossen, warum irgendjemand den 2. Stein setzen sollte. Dazu kommt natürlich die immense Downtime mit steigender Spieleranzahl. Es scheint, als würde das Spiel schlechter spielbar, je mehr Leute mitspielen.

6. Zugänglichkeit
Die Zugänglichkeit ist eher durchschnittlich: Die Anleitung ist verworren und springt häufig, die Icons sind nicht immer aussagekräftig und das Spiel verwendet zwar viele thematische Begriffe für unterschiedlichste Vorgänge, die aber häufig in derselben Tätigkeit enden: Ich nehme einen Stein von meinem Tableau und lege ihn aufs Spielfeld. Das macht die thematische Verknüpfung nicht gerade einfach.

7. Spieltiefe
Ich bin mir sicher, dass man mit weiteren Partien noch viel Optimierungspotenzial finden kann und wem dieses nicht ausreicht, der findet in der „Erweiterung“ noch Module, die es Anfängern leichter bzw. Profis schwerer machen zu gewinnen. Leider steigt damit auch die Downtime, aber oberflächliche Mechaniken kann man dem Minigame „Optimierung des Spielertableaus“ wirklich nicht vorwerfen.

8. Spieldauer
An sich eigentlich nicht zu lang, jedoch irgendwann recht eintönig. Das Spiel verliert sich in der Optimierung des Tableaus und wirkt dadurch irgendwann länger als man es eigentlich spielt. Das wird vor allem dann stetig unangenehmer, je mehr Mitspielende am Tisch sitzen. Ich bin mir sicher, dass man hier viel mehr hätte erreichen können, wenn man die Anzahl der Aktionen pro Runde limitiert hätte – so hätte man eben über mehrere Züge planen können und hätte dieselbe spannende Optimierungsaufgabe gehabt.

9. Downtime
Kann leider je nach Mitspielenden enorm ausfallen. Das kann man zwar häufig behaupten, aber leider kommt hier noch erschwerend hinzu, dass bei Wertungen von Monument-Abschnitten unbeteiligte Spieler oft in die Röhre gucken.

10. Preis
Der Preis steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Daher vergebe ich hier einen Mittelwert von 3 Punkten. Sobald der finale Preis feststeht, werde ich diese Wertung anpassen. Es kann also sein, dass sich die Endwertung später um +/- 2 Punkte verändern kann.

Ergebnis
Mit 28/50 Punkten ergattert An Age Contrived einen Punktestand und damit die Bewertung „Durchschnittlich“.
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