Iki ist ein Spiel mit einer ganz besonderen Qualität. Denn es ist eines dieser Spiele, die zwar einen sehr leichten Einstieg bieten – in denen ich jederzeit das Gefühl habe alles zu überblicken und auch mal aus dem Bauch heraus oft richtige Entscheidungen zu treffen. Jedoch ist das Spiel keineswegs trivial oder langweilig. Es trifft genau den Nerv aus geringer Einstiegshürde mit schlankem Regelwerk, gepaart mit kurzen Zügen und knackigen Entscheidungen. Doch worum geht es überhaupt?
Spielbare Historie von Iki
Wir sind reiche Kaufleute im mittelalterlichen Edo – dem heutigen Tokyo. Unser Ziel ist es, die Stadt zum Erblühen zu bringen, sie auszubauen und dabei natürlich das höchste Ansehen zu erreichen. Dabei unterstützen wir lokale Händler und versuchen ihre Waren und Dienstleistungen an unsere Mitspielenden zu verschachern. Diese Händler müssen wir zwar ernähren, partizipieren jedoch auch von Ihnen über Einkommen und Gebietskontrolle auf dem Markt.
Haben unsere Händler oft genug an unsere Mitspieler verkauft, gehen sie in Rente und bringen uns von nun an kostenloses Einkommen. Es ist also unser Ziel genau die Händler an den richtigen Marktständen zu platzieren, die der Markt bzw. unsere Mitspieler gerade brauchen. Denn der Handel mit unseren eigenen Händlern lässt sie nicht an Erfahrung gewinnen und so auch nicht schneller in Rente gehen. Und für all das haben wir genau 1 Jahr, also 4 Jahreszeiten, also 12 Spielrunden Zeit. Das Spiel endet in einer 13. Schlussrunde, dem Neujahrsfest.
Schuster bleib bei deinen Leisten
Bevor es jedoch auf den Markt geht und wir dort nach Herzenslust shoppen können, gilt es erst einmal eine Spielerreihenfolge zu finden. Und das geschieht auf gleich zwei Leisten – daher ist der kleine Fehler in der Überschrift beabsichtigt. Zuerst bestimmt unser Fortschritt auf der Brandwehrleiste die Reihenfolge, in der wir unsere Ikizama-Figuren setzen. Diese wiederum bestimmen anschließend die Zugreihenfolge und -Reichweite für die aktuelle Runde. Es gibt also einiges zu beachten.
Iki lebt durch kurzweilige Veränderung
Dabei ist das Spiel immer sehr übersichtlich, es verändert sich jedoch extrem schnell. Ein Händler geht nach drei erfolgreichen Deals mit Mitspielern bereits in Rente und liefert uns fortan kostenloses Einkommen. Mit jeder gespielten Karte verändern sich die Möglichkeiten des Einkaufs und der Wertungen am Markt, denn jedes Viertel wird auch noch einzel auf Mehrheiten bestimmter Händler gewertet. Aus diesen Elementen bildet sich eine herrlich positive Interaktion: Ich möchte allein schon aus Eigennutz die Händler so platzieren, dass sie meinen Mitspielern nutzen und sie dadurch schneller in Rente gehen – im Idealfall natürlich nach der Mehrheitenwertung um die Marktviertel.
Auf der anderen Seite gibt es dennoch eine hohe Konkurrenz um die Händler am Markt, denn diese gehen schon mit dem 3. Handel mit meinen Mitspielenden in Rente. Da drängen sich in den besten Momenten schon Erinnerungen an die Produktionsgebäude aus Brass auf, die mir auch erst dann Siegpunkte einbringen, wenn sie leergekauft wurden. Und obwohl sich so vieles so zügig ändert, ist das Spiel immer sehr transparent. Das liegt vor allem daran, dass ich nahezu alle Informationen und Optionen einer Runde auf meinem Spielmaterial aufgedruckt finde. Vorbildlich!
Die richtige Menge Chaos
In regelmäßigen Abständen kommt jedoch die genau richtige Menge an Chaos ins Spiel: Auf dem engen Markt bricht ein Feuer aus und “frisst” sich in Richtung Zentrum durch ein zufällig ausgewähltes Viertel. Jeder Stand, dessen Besitzer auf der Brandwehrleiste nicht weit genug vorangeschritten ist, wird zerstört und sein Händler (und dessen Fortschritt) geht verloren. Wer jedoch gut genug in Brandbekämpfung ausgebildet ist, der löscht nicht nur das Feuer, er schützt auch alle nach ihm folgenden Stände aller Spieler. Meist gewinnen Spieler dieses Brandbekämpfungs-Wissen durch das Anwerben neuer Händler, was die Konkurrenz um diese Karten noch weiter erhöht. Die Positionierung der eigenen Händler sollte also wohl überlegt sein, denn manchmal ist so ein reinigendes Feuer auch eine willkommene Katastrophe. Krise konnte auch schon im feudalen Japan geil sein!
Viel Licht und auch ein wenig Schatten
So flüssig das Spiel auch läuft, so hoch die Varianz und die Übersichtlichkeit sind und so einfach der Einstieg gestaltet wurde, gibt es doch ein wenig Schatten. Zum einen meint es das Spiel sehr gut mit der thematischen Einbettung und gibt vielen Materialien japanische Titel und Namen. Das mag erst einmal toll klingen, doch wenn der Besitzer neuen Mitspielenden erklären muss, dass sie ihre Oyakata bewegen, um Kobun zu aktivieren, dabei jedoch auf ihre Ikizama achten müssen, um die Freiheit zu haben den richtigen Nagaya wählen zu können, um Mon und Koban zu verdienen, hilft auch die gute Übersicht auf dem Edokko-Tableau nicht mehr.
Wer hier nicht mehr durchblickt, dem hilft meine Spielhilfe zu Iki mit Sicherheit weiter, denn dort habe ich all diese Begriffe in “Brettspiel-Deutsch” übersetzt. Darüber hinaus mutet es ein wenig merkwürdig an, dass wir zwar nur 1 Jahr (mit 4 Jahreszeiten) spielen, jedoch reihenweise neu angelernte Händler in Rente schicken.
Fazit zu Iki
Iki ist ein wunderschönes Spiel, das zwar einige thematische Schwächen aufweist, jedoch elegant ist: Selten gibt es diese Mischung aus Zugänglichkeit, die in schnellen Zügen resultiert, gepaart mit Spieltiefe und Varianz. Über die thematischen Unschärfen muss man jedoch hinwegsehen können und sollte auch mit einer guten Portion Zufall leben können. Iki ist ein Spiel, das man nicht totdenken sollte; in Edo sind auch Bauspieler herzlich willkommen!
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1. Thema
Das Thema ist optisch und inhaltlich gut platziert. Das Ernähren und die Ausbildung der Händler machen Spaß und auch der Mehrheitenwertung der verschiedenen Viertel kann ich thematisch etwas abgewinnen. Die japanischen Titel der einzelnen Komponenten sind jedoch teilweise verwirrend und selbst übersetzt nicht hilfreich. Auch die Mischung aus nur einem Jahr Spieldauer und dem Renteneintritt frisch angelernter Händler mag nicht so ganz passen. Das Spiel versprüht zwar einiges an Flair durch die schöne Gestaltung. Letztendlich ist Iki in einigen Bereichen jedoch eher mechanisch als thematisch, um eine höhere Punktzahl zu erreichen.
2. Material
So muss ein Eurogame sein: Tolles, bedrucktes Holzmaterial in angenehmer Größe, hochwertige Karten. Abzüge gibt es maximal für das Pappgeld, auch wenn die Grammatur ordentlich ist. Die Sandalen-Plättchen fallen ebenfalls negativ einfach ins Gewicht und wollen nicht zu dem ansonsten schönen Material passen. Selten habe ich ein Spielbrett gesehen, dass in beide Seiten klappbar ist!
3. Optik
Schöne bis zumindest stimmige Grafiken, satte Farben. Iki hat unbestritten eine tolle Tischpräsenz. Die Illustrationen auf den Karten geben den eigenen Holzfiguren eine Identität. Einzig der Spielplan selbst – also der Markt – wirkt dagegen etwas blass.
4. Setup
Der Aufbau ist je nach Spieleranzahl nicht ganz ohne. Jeder Spieler bekommt einiges an Material und auch die vier Jahreszeiten, die alle ihre eigenen Karten und Marker mitbringen, wollen platziert werden. Dazu fällt negativ auf, dass das Spiel keinerlei Inlay mitbringt – nicht einmal ein Pappinlay, wie wir es von Fantasyflightgames kennen. Da muss man sich mit Plastiktüten aushelfen.
5. Spieleranzahl
Dies ist eine Paradedisziplin von Iki. Es funktioniert in allen Spielerzahlen (2-4 Spieler) perfekt! Im Spiel zu zweit gibt es einige wenige Regelanpassungen für einen simulierten dritten Spieler. Dieser ist jedoch weit weg von einem Automa-Bot aus anderen Spielen und obendrein sind alle Anpassungen auch auf der eigens für zwei Spieler gedruckten Spielplanseite markiert. Hier gibt es nichts zu meckern!
6. Zugänglichkeit
Ich habe es selten erlebt, dass nahezu der ganze Spielzug in Icons auf meinem Spielmaterial steht, an dem ich mich jede Runde entlang hangeln kann. Einzig die japanischen Bezeichnungen der Komponenten verhindern hier die volle Punktzahl, aber da hilft meine Spielhilfe aus.
7. Spieltiefe
Durch die verschiedenen, verknüpften Leisten gibt es einiges zu bedenken, die Auslage möchte beachtet werden und die Positionierung der eigenen Händler in Verbindung mit den Positionen meiner Mitspielenden und deren Ressourcenvorräten im Blick zu behalten ist der Weg zum Erfolg. Und das fühlt sich richtig gut an! Iki macht hier alles richtig.
8. Spieldauer
Iki hat eine sehr angenehme Spieldauer, die zum Spiel passt. Die 4 Jahreszeiten sind ausreichend lang, um Strategien zu ermöglichen, jedoch auch knackig kurz, um fokussiert zu bleiben. Iki ist nicht belanglos durch zu wenig Zeit um die eigene Taktik umzusetzen, aber auch nicht so ausufernd, dass es einen ganzen Abend dauern würde.
9. Downtime
Iki bietet einiges an Potenzial “totgedacht” zu werden. Es gibt viele Variablen zu berücksichtigen. Doch es bringt auch die nötige Portion Zufall mit, die die Spiel(zug)dauer merklich drückt – wenn ich sowieso nicht alles vorhersehen kann, muss ich auch nicht jede Eventualität einplanen. Meist ist man schneller wieder am Zug, als man „Senri no michi mo ippo kara” sagen kann.
10. Preis
Der Verlag Giant Rock verkauft Iki über die Spiele Schmiede für 49,99 €. Bei der Anzahl der schönen Illustrationen und der Hochwertigkeit des Materials wirkt dieser Preis angemessen. Einzig ein zumindest rudimentäres Inlay hätte es schon sein dürfen. Auch um das schöne Material zu schützen. Dennoch macht Iki einen entsprechend hochwertigen Eindruck.
Ergebnis
Mit 41/50 Punkten ergattert Iki einen sehr respektablen Punktestand und damit die Note “Empfehlenswert”!
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