Wie häufig denkst Du über die Wiederspielbarkeit von Spielen nach? Ich tatsächlich relativ häufig. Vor allem, wenn ich darüber nachdenke, ob ich mir ein Spiel überhaupt zulegen soll oder nicht. Denn mit der Erfahrung auf dem Brettspielmarkt, den eigenen Vorlieben, Abneigungen und Interessen sowie der subjektiven Einordnung von Reviews und Influencern kommt irgendwann einmal der Punkt, an dem “logische” Maßstäbe für eine Kaufbewertung herhalten müssen.

Die Wiederspielbarkeit teilt sich dabei eigentlich in zwei Unterbereiche auf: Einerseits die schlichte Varianz eines Spiels. Habe ich nach wenigen Partien schon alles gesehen, sodass es gar keinen Sinn mehr macht das Spiel nochmal zu spielen? Dem gegenüber steht der schlichte Wiederspielreiz – wie interessant ist das Spiel und wie oft möchte ich es erneut spielen, ganz gleich welcher Content mir präsentiert wird?

Ein für mich extrem interessantes und spaßiges Spiel, das aber pro Szenario wenig Varianz bietet, ist Villen des Wahnsinns 2. Kenne ich die Auflösung eines Szenarios, wird es sich bei Wiederholung kaum davon unterscheiden. In Wirklichkeit gibt es mit steigender Anzahl an Erweiterungen in meiner Sammlung zwar eine steigende Anzahl unterschiedlicher Aufbauten der einzelnen Szenarien inkl. verwendeter Map-Tiles, Gegenstände und Monster. Die Hintergrundgeschichte – der Plott quasi – bleibt dabei aber unverändert. Dieses Spiel bietet daher keine hohe Varianz und auch vergleichsweise wenig Content. Wobei mir dabei gerade einfällt, dass ich schon immer einen Fall wiederholen wollte, bei dem man Täter identifizieren muss – und diesen auf Varianz zu testen. Ich bin mal kurz…

– Zwei Stunden später –

Ein gegenteiliges Beispiel ist Tainted Grail. Hier gibt es Content für Tage an Spielzeit. Wahrscheinlich sogar für Wochen. Jedoch ist das Spielsystem für mich so repetitiv und uninteressant, dass ich keinen Reiz verspüre das Spiel überhaupt aufzubauen – wobei ich es dafür auch erst nochmal kaufen müsste… Beides sind also Fälle, bei denen ich die Wiederspielbarkeit kritisch bewerten würde, jedoch aus unterschiedlichen Richtungen.

Doch wiegt dieses Kriterium wirklich so schwer? Definiert sich ein gutes Spiel nicht viel mehr über Qualität statt Quantität? Ist es nötig den Kaufpreis eines Spiels durch die Anzahl spaßiger Minuten zu teilen um über diesen Quotienten meine Ausgaben zu rechtferitgen? Und was kostet Spaß eigentlich? Oder besser gefragt: Was darf Spaß eigentlich kosten?

Die gute Nachricht ist, dass die Antwort auf diese Frage eine sehr subjektive ist. Und diese Erfahrung muss jeder für sich selbst machen. Auftritt: Singleplayer-Kampagne von Call of Duty – Modern Warfare 1-3. Für alle zu spät geborenen: Ich spreche von den Goldstücken aus 2007-2011. Teil 3 war monatelang vorbestellt, für saftige 60 €. An einem Donnerstag wurde es geliefert, nach der Arbeit direkt installiert und sofort von vorn bis hinten durchgespielt. Nach objektiven Kriterien sollte das eine Nullnummer gewesen sein: 16 Cent pro Minute für ein einmaliges Erlebnis?!

Doch obwohl ich mehrere hundert Stunden in Spielen wie Skyrim, World of Warcraft, Battlefield 3 oder League of Legends verbracht habe, bin ich noch heute der Überzeugung, dass dies die spannendsten 6 Stunden waren, die ich je vorm Computer verbracht habe. Ich glaube, ich habe während der gesamten Zeit nicht einmal geblinzelt. Und genau das habe ich in den folgenden Jahren zig fach wiederholt – trotz immer bleiben Content.

Und wie ich es genossen habe! Gab es irgendeine Form von Varianz? Nein, null, niente, nada. Wurden die Aufgaben kniffliger? Ebenfalls nicht. Alternative Enden oder Routen? Fehlanzeige. Selbst einen freien Willen gab es quasi nicht, da das Spiel so viele Events “durchgescriptet” hat, dass man davon gar nicht abweichen könnte, selbst wenn man wollte. Aber man will eben auch nicht. Weil es einfach Spaß macht. Ich habe die Kampagnen der Modern Warfare-Trilogie mit meinen “remarkable fruit-killing skills” etliche Male durchgespielt, bin mit einem “This is for Soap!” aus einem Bulli gesprungen und habe noch heute ein “Easy, lad…” im Ohr, wenn ein Scharfschütze in einem Film durch sein Zielfernrohr schaut.

Ähnlich verhält es sich bei Filmen: Jurassic Park (1) und Independence Day (1) zählen mit wahrscheinlich dreistelligen Vorstellungen wohl zu meinen meist gesehenen Filmen. Ich kann sie auswendig mitsprechen, habe damals sogar einzelne Szenen per Micro aufgenommen, bearbeitet und die Windows-Standardhinweise damit versehen. Wenn sich meine Mutter an unseren PC setzte, wurde sie mit einem “Conny, sie sind heute morgen schon verdammt früh auf…” empfangen und jede Fehlermeldung kommentierte der Rechner mit einem “Bullshiiit – seit wann kann man Sch*** so hoch stapeln?!” (kleines Ratespiel). Diese Files (auf Diskette) waren der Renner auf dem Schulhof…

Warum erzähle ich das? Weil es themenfremde Beispiele dafür sind, dass weder die Dauer noch die Varianz wichtig für die Begeisterung sind, sondern schlicht die Qualität. Ich habe eine hohe zweistellige Anzahl an Partien in den ersten drei Szenarien von Fireteam Zero verbracht, dutzende Male das “Tutorial-Szenario” von Mage Knight gespielt oder Azathoth in Eldrich Horror bekämpft, ohne dass diese Spiele etwas von ihrer Faszination eingebüßt hätten.

Überhaupt bringt mich Mage Knight auf einen weiteren Gedanken. Hat man das Spiel erst “wirklich” gespielt, wenn man einen Großteil seiner Varianz ausgeschöpft hat? Und wie sieht es mit Voidfall aus – das man gemessen an seiner Varianz quasi als “Mage Knight in Space” bezeichnen könnte? “Lohnt” sich so ein Spiel auch, wenn man als Solo-Spieler quasi nur 1/3 seines Umfangs spielt?

Sind wir mal ehrlich: In unseren Expertenspiel-Kreisen… Wie oft müsste ein Spiel gespielt werden, bis mangelnde Varianz tatsächlich zum Problem werden könnte – und wie oft wird es tatsächlich gespielt? Wird eine schlechte Wiederspielbarkeit nicht durch Alternativen im eigenen Regal schon mehr als wett gemacht? Ist es nicht viel wichtiger, dass ein Spiel Spaß macht, ohne direkt einen Gedanken an dessen Vergänglichkeit zu verschwenden?

Und “What the hell kind of name is Soap” eigentlich?